30.03.2025 bis zum 27.04.2025
Vernissage: 30.3.25 um 11 Uhr
Was versteht man unter einem Thema? Das Thema ist der Gegenstand, von dem die Rede ist. Dann schließt sich die nächste Frage an: Über was wollen wir reden? Oft beginnt ein Gespräch mit „Wie geht es dir? Was gibt es Neues?“ oder man spricht über den erlebten Tag, über Pläne für morgen, über das Essen oder das Wetter. Wir sprechen über Wichtiges und Belangloses gleichermaßen.
„Ach, das ist doch kein Thema!“ Mit dieser Aussage kann
gemeint sein, dass etwas so unwert ist, dass es nicht als Thema gelten mag. Etwas ist es nicht wert, dass darüber gesprochen wird. Welches Kunstwerk könnte diese abwertende, negierende Haltung
aufzeigen/aushalten?
Oder dieser Ausspruch offenbart eine festgefahrene Meinung: jemand vertritt eine Ansicht, die nicht zur Diskussion steht. Doch stellt sich Kunst doch seit jeher zur Diskussion…
Aber die Aussage kann auch so verstanden werden, dass etwas selbstverständlich ist. So klar, dass darüber nicht weitergeredet werden muss. Selbsterklärend. Offensichtlich.
In der Kunst? Selten, oder?
Geht es also bei dem Titel „Alles kein Thema“ um diese Akzeptanz, dass alles eine ausstellungswürdige Berechtigung hat, weil es eine inhärente Selbsterklärung in sich trägt? So handelt es sich vielleicht um eine positive Beliebigkeit, sodass Kunst doch letztlich eigentlich alles zum Thema machen kann: Eine Weltansicht, einen philosophischen Gedanken, eine bodenständige Alltagsfrage („Wie geht es dir?“), eine Beziehung, ein Gefühl, Wetter, Essen, …
Text Lisa Berkemeier
Laudatio von Lisa Berkemeier bei der Vernissage am 30.03.2025:
Alles kein Thema? Doch! Das Thema heißt „Rot“! Rot ist eine starke Farbe mit einer großen Signalwirkung und vielen bekannten Assoziationen. Von Liebe über Wut, Feuer, Blut, Leben, Kraft bis hin zu Leidenschaft. All das ist mit Rot möglich.
Was zeigt uns Bernhild Wierich mit ihrer sehr roten Leinwand? Ein Versuch:
Ich sehe viel Farbiges im Hintergrund, viele Farbnuancen, die sich durch eine gegebene Struktur von oben nach unten ziehen. Und ich sehe sehr gleichmäßig waagerecht gezogene rote Balken, die dem Bild
einen harmonischen Klang geben. Einen Rhythmus, der mich trotz der Farbintensität nicht aus der Ruhe bringt. Ich erkenne zwei konträre Bewegungen. Von oben nach unten im Hintergrund, von links nach
rechts im Vordergrund.
Weiter: Welches Thema zeigt sich mir? Ich sehe ein Leben, das sich durch viele Erfahrungen sehr farbig im Hintergrund festschreibt, so wie die Kerben oder die Struktur innerhalb dieser mannigfaltigen
Farbigkeit es festmachen. Und dann sehe ich eine dominante, wohlgemeint friedliche Akzeptanz einer alltäglichen Routine, die sich mit jedem Balken Rot im ganzen Leben fortsetzt und jedem von uns Halt
gibt.
Das Thema heißt „Rot“ – immer noch. Louis Schneider reiht sich mit seinem Werk „Epiphany“ ebenfalls hier ein. Der Titel teilt uns mit, dass es sich hierbei um eine unvermittelt auftretende Erscheinung oder Erkenntnis handelt; möglicherweise – wenn man es aus religiöser Perspektive betrachten möchte – sogar die Erscheinung Gottes. Die Erscheinung oder Erkenntnis, die hier sichtbar wird, ist für mich etwas Lautes, Pompöses, Tolles, Spannendes, etwas unglaublich Einnehmendes. Nicht aufdringlich – aber nachhaltig beeindruckend. So zeigt sich mir diese rote Fläche, welche für mich die Erkenntnis von etwas ist. Gleichsam kann natürlich das Umfeld um das Rot erkenntnisreich gelesen werden und das Rot quasi in der Mitte der Bildfläche zusammenstauchen. Einladung: Gehen Sie auf die Suche nach Ihrer persönlichen Erscheinung oder Erkenntnis!
Vom Rot zu Blau. Barbara Feiden präsentiert im Titel ihres Werkes die Erkenntnis, dass alles ein Thema ist oder sein kann. So macht sie sich Farbflächen zum Thema, die vom Miteinander berichten, vom Aufbauen und Wachsen, vom Tragen und Halten und vom Ruhen. Ihre grau-weiß-blauen Farbflächen sind so ausgewogen auf die Leinwand komponiert, dass die drei Besonderheiten erst deutlich werden, wenn der Blick zum Ruhen kommt: Unten rechts die schwarze Fläche, welche sogar Schriftelemente integriert, oben fast mittig das gelb Flüchtige und links daneben und etwas nach unten versetzt die nicht ganz rechteckige Fläche, die sich zum Gelben reckt. Und dann beginnt der Geist zu tanzen. Er überlegt, wie diese Flächen im Gesamtblau zueinanderstehen und von welchem Thema sie berichten.
Renate Wellers zeigt uns ein Werk, welches auch zu zwei Dritteln blau ist. Am Horizont – wenn man so will – eine Lichtquelle, etwas Reflektierendes, Schimmerndes und einige zarte Senkrechte. Fast wie Gold sinkt das Glänzende von der Horizontalen in das weite Blau darunter. Mich erinnert dieses Motiv an einen See oder ein Meer, ein Blick geprägt von Weite.
Ingrid Schumacher präsentiert uns ebenfalls viel Blau und rahmt damit ein kleines Rot und ein bisschen Gelb – perfektes Primärfarbenarrangement! Harmonisch umarmen weiße Flächen diese Stimmigkeit und eine weiße Linie setzt sich noch als Kontrast zur Flächigkeit ins Bild. Mich erinnert dieses Bild an den Süden, an Griechenland, an Meer und Horizont, an Erdbeereis und Sonnencreme. Gleichsam kann ich aber auch den Winter sehen, ein bisschen Schnee und vereiste Flächen, klirrende Kälte und sichtbaren Atem. Ein Kaminfeuer und ein hell erleuchtetes Fenster in der Abenddämmerung. Blau – Rot – Gelb … und weiß: Was ist es für Sie?
Bleiben wir bei der Abenddämmerung, dem Winter und dem Schnee. Hermann Prüßner hat sein Bild so genannt: „Winter“. Und es zeigt genau das, was es verspricht: Eine Winterlandschaft mit einer Menge Schnee, einem weiten Blick auf die Felder, diese mit Tannen durchsetzt … und ganz hinten links ein verschneites kleines Dorf unter sternenklarem Himmel mit leichtem Nebel. So könnte ein eingeschneites Steinfurt bei einer Nachtwanderung aussehen. Schaut man aber von hier gen Norden und auf die Lofoten, so sehen wir durch Steffi Hermanns Werk „Lofotenwinter“ ein karges, nicht schneeverdecktes Norwegen in einer Komposition, welche ein Oben und Unten gleichermaßen gewichtet und somit für eine kühle Ruhe sorgt. Der Baum links und die Vögel rechts verleihen dem Bild Tiefe und zeigen, dass es sich nicht um eine abstrakte Malerei, sondern um eine Fotografie handelt.
Ein Kontrast: So ruhig sich der Lofotenwinter hier präsentiert, so wild und stürmisch zeigt sich Ursula Linz` Sicht auf das Meer. Es trägt den Titel „Sturm“ und versetzt den Betrachtenden an die Küste, an welcher der Klang hoher, sich brechender Wellen und peitschender Wind die primären Geräusche sind. Tiefhängende, dunkle Wolken am Horizont lassen erahnen, dass es wohl noch ungemütlicher werden wird und es ein Naturschauspiel werden könnte, von dem die Menschen in den nächsten Tagen noch sprechen werden.
Wenden wir unseren Blick mit Alla Kasper von der Küste nach Steinfurt und gehen ins Bagno. Mit ihrem Bild „Abend“ erinnert sie mich zumindest an den Bagnosee, der so oft ruhig und beruhigend da liegt und über verschiedenste Brücken einen sehr angenehmen Rundweg offenbart. In Alla Kaspers Malerei verschwimmen die Grenzen zwischen Wasser, Ufer und Land und die Abendstimmung des Himmels zeigt sich vor allem in Wasserspiegelung. Durch das raue Ufer vorne links und die Wolkenformation wird der Blick des Betrachters (anders als anbei Ursula Linz, da geschieht dies in der Breite) in die Tiefe gezogen.
Ganz hinten, in weiter Ferne entdecken wir auf dem See ein kleines Boot und sind damit bei Anne Grunge-Dirkers Malerei. Mit „Weit, weit weg“ zeigt sie uns ein Segelboot, das entgegen der üblichen Leserichtung nach links segelt oder …halt! Es steht vielleicht. Es ist kein Mensch auf dem Boot zu sehen. Vielleicht sind wir Betrachtende jene im Wasser, die gleich – nach der erfrischenden Abkühlung, zum Boot zurückschwimmen werden. Weit weit weg erscheint uns vielleicht das Boot jetzt oder weit weit weg fühlen wir uns, wenn wir uns hier so im Wasser treiben lassen; oder weit weit weg wollen wir sein: Endlich Urlaub haben und wegsegeln. Die Segel setzen und sich frei fühlen. Doch… wieder halt. Direkt neben uns schwimmen Seerosen. Sie stupsen uns an.
Martina Döring zeigt uns: Es ist so schön hier, wir müssen gar nicht weg. Die „Seerosen auf dem Bagnosee“ sind so voller Leben und intensiver grüner Farbe, dass sie in uns einerseits Kraft und Freude mobilisieren können und andererseits in uns die Vorfreude wecken, auf das, was uns ihm buchstäblichsten Sinne noch „blüht“- In Weiß und Rot erstrahlen die Seerosen dann und verzaubern den Bagnosee in ein Blütenmeer.
Das Bagno – wir alle kennen es, wir schätzen es. Erika Leusbrock und Elke Rieger zeigen uns etwas, was wir mit dem Bagno sofort in Verbindung bringen: Bäume. Während Erika Leusbrock an einige Birkenstämme regelrecht heranzoomt und sie aus dem Leinwandformat herauswachsen lässt, so zeigt Elke Rieger uns zarte Äste oder die Kronen junger Bäume, die nach oben streben.
Elke Rieger sagt über ihr Werk selbst: (Zitat) „Es hat mir große Freude gemacht, mich auf eine neue und experimentelle Malerei einzulassen. Zuerst habe ich eine Strukturpaste auf die Leinwand gegeben. Mit Spachtel wurde sie verteilt, um so eine individuelle Struktur hervorzuheben. Diese kann man nur bedingt beeinflussen und es ist sehr spannend, nach dem Trocknen das Ergebnis festzustellen. Mit Ocker, Gelb und Braun entstand der lichtdurchflutende Hintergrund. Es sollte kein monochromes Bild werden und somit habe ich es mit den drei Bäumen spannender gestaltet. Das Bild hat keinen Titel. Der/die Betrachtende soll sich inspirieren lassen und in das Bild eintauchen.“ (Zitat Ende)
Eintauchen, das geht auch bei Erika Leusbrock, denn sie zieht uns in einen Birkenwald, der sofort um uns herum ist, weil die Birkenausschnitte uns mit einer Wucht begegnen und gleichzeitig den Blick auf etwas Unscheinbares, Verschwommenes eben nicht preisgeben, dass wir gewillt sind, weiter hineinzuschauen.
Regina Gazmaga präsentiert in dieser Mitgliederausstellung ein Werk, das
fantastisch monochrom ist und so wenig zeigt/darstellt und doch so unendlich viel umfasst. In der Vergangenheit habe Regina Gazmaga immer wieder erlebt, dass Bilder ohne Namen beim Betrachter die
unterschiedlichsten Vorstellungen hervorrufen, und aus diesem Grund erscheint es ihr auch nicht besonders relevant, ihrem Bild einen Titel zu verleihen, denn schon Kandinsky war der Überzeugung
"Das Bild wird erst fertig durch den Betrachter“. Dennoch: Ihr Bild trägt den Titel „Nebelwelten“ und so beschriebt sie ihre Erlebnisreise hin zu dieser Nebelwelt:
(Zitat)
„Meine Leidenschaft ist und bleibt das Arbeiten mit Struktur. Mich inspiriert das Spiel mit den verschiedenen Materialien. Das Spannende und oft meditative an der experimentellen Art ist der nicht genau zu planende Malprozess, der mich immer wieder herausfordert, neu zu reagieren und zu gestalten: Marmormehl anrühren und auf der Leinwand verteilen, Pigmente hineinpusten, während des Trocknungsprozesses die Rissbildung beobachten, das Bild immer wieder mit flüssiger Tusche und viel Wasser verändern, mich auf die neue Situation einlassen. In vielen Schichten entsteht nach und nach das Bild. Der Prozess ist die Reise.“ (Zitat Ende) Und das Produkt lädt uns ein, diese Reise zu verstehen.
Herbert Wierich nimmt uns auf eine ähnlich meditative Reise mit. Mit seinen Haiku-Fotografien zeigt er uns einen Moment der Ruhe und Unschärfe gleichermaßen. Das Meditative daran ist die Unkenntnis des Gegenstandes und das beruhigende Flirren der weichen Farbflächen, die sich zusammenziehen, sich ausdehnen, einen Gleichklang erzeugen und vielleicht auch ein bisschen wie eine Nebelwelt für uns erscheinen.
Auch Hubertus Brunstering zeigt uns bei seinem Werk “Vibrations One“ viel „leere“ Fläche. Die braucht die Malerei aber, damit das Voluminöse links, die rot-gelbe Vibrations-Wolke wirken kann. Irritiert lesen wir dann die zarten Textfragmente wie „with you alone in the dark“ und fragen uns: Welche Dunkelheit bei so viel heller Fläche? Interessant – da bleiben wir doch gerne einen Moment länger stehen, neugierig suchend nach weiteren Textfragmenten oder geheimnisvollen Zeichen, die sich zwischen „nichts“ und „alles“ mischen…
Bei Lisa Berkemeier sind es andere Fragmente, die den Betrachtenden fragen: „Was siehst du?“ Es sind zwei Bilder, die in einer Malerei übereinandergelegt sind. Durch eine rhythmische Struktur wechseln sie sich ab. Mal tritt das eine, mal das andere mehr in den Vordergrund und verschwindet im selben Moment wieder. „Die besonderen Formen“ (Titel) entziehen sich, werden unterteilt, kombiniert und vermischt.
Die einzige Skulptur in dieser Ausstellung trägt den geschichtsträchtigen Titel „16.10.68“. Andreas Laugesen zeigt drei Stelen aus Holz mit zwei Fäusten aus Metall. Hier wird schnell klar, was Thema des Werkes ist: Während der Siegerehrung zum 200-Meter-Lauf der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko-Stadt erhoben die afroamerikanischen Sprinter Smith und Carlos ihre Faust zum sogenannten Black-Power-Gruß. Dieser ist hier in reduzierter Form (die erhobene Faust) so dargestellt, dass die Betrachtenden zu den Fäusten aufblicken.
Angelika Wolters Bild heißt „Lebensfreude“ – einen glücklicher machenden Titel kann es wohl kaum geben. Lebensfreude – die sieht für Angelika Wolters sehr farbenfroh, sehr organisch, harmonisch aus. Aber was genau bedeutet es, Lebensfreude zu haben? Ich sehe die guten Aspekte, bin Optimistin, aber nicht naiv. Ich freue mich, morgens aufzustehen, denn diesen Tag habe ich noch nicht gelebt und meine Einstellung, meine Gedanken können ihn maßgeblich beeinflussen.
Meine Gedanken, meine Einstellung, mein Herangehen an Probleme, an Aufgaben und Herausforderungen, die konzentrieren sich in einer Überlegung, im Abwägen und gipfeln in einer Entscheidung. So betrachte ich Anne Knefelkamps „Kreis“, der flirrend bunt sich immer konzentrischer in die Mitte bewegt. Gebannt folgt man der Bewegung verschiedener Farben immer wieder rund und rund und rund und kann den Blick kaum von der spektakulären Rotation entziehen.
Wer es aber schafft, der könnte ich Angelika Schmidts „Candy Blow“ vielleicht eine Art Ruhepol finden, denn hier scheint etwas explodiert zu sein, was sich nun in schemenhafter Zeitlupe auf der Leinwand ausdehnt. Es erinnert an Materiewolken oder Nebel im Weltall, die jedoch dank der Farbigkeit zuckersüß und ganz zart umherschweben.
Zart und weich, umherstreunend, sich anschmiegend und schleichend: Das ist Karla Järschs „Katze“. Passend zum zarten Fell der Katze wählte Karla Järsch das Aquarell, um über die fließende Struktur und die sanfte Farbigkeit die Textur des Katzenfells darzustellen. Wir sehen die Katze von hinten, wie sie vielleicht gerade etwas beobachtet, auf das Essen wartet oder aus dem Fenster schaut – Spekulationen dazu scheinen willkommen zu sein, schließlich bietet der extreme Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Katze und Bildträger möglichst vielfältige Assoziationen.
Doris Dirkers leitet unseren Blick von Hier auf ein Anderswo. Sie zeigt uns zwei Frauen „im Dialog“. Diese blicken mit traditionellen Hijab-Kopftüchern auf die restaurierte Stadt Mostar. Im Vordergrund in der Neretva-Fluss zu sehen. Die alte Brücke aus der osmanischen Zeit ist wiederhergestellt und die Kriegsspuren der Altstadt weitestgehend beseitigt. Diese beiden Fragen unterhalten. Sie erinnern sich an die Schrecken des Krieges. Gleichzeitig findet in der Erinnerung ein Dialog zwischen der bosnischen Oststadt Mostar und ihren Moscheen und den beiden Frauen statt. Die Trennung ist allgegenwärtig und hat selbst heute noch Auswirkung auf das Leben der Bosniaken und Kroaten in Mostar.
Was vereint Doris Dirkers Malerei mit Annemarie Deiters „Happy together“? Es sind die Frauen, die zusammenkommen und sich unterhalten – oder vielleicht schweigen sie auch gemeinsam. Jedenfalls sind sie zusammen glücklich. Dieses frohe Gefühl vermittelt uns schon die warme Gesamtfarbigkeit des Werkes und auch wenn der Blick im Grunde „frei“ bleibt, weil das, wohin sich die Frauen wenden, das, was sie erblicken, inhaltsleer bleibt, so ist es doch erfüllt von einer Wärme, die – losgelöst von der roten Farbigkeit im Bildvordergrund zum Träumen – zum Glücklichsein – einlädt. Die Blicke, die Gesichter bleiben dem Betrachtenden verborgen, ihre Körperhaltungen sind sehr statisch. Es scheint auch so, als würden sie sich nicht berühren. Möglicherweise kennen sie sich gar nicht, sind aber trotzdem an diesem besonderen Ort einfach erfreut über ein gemeinsames Ereignis.
Yvonne Hoppe-Engbrink zeigt uns mit ihren Bildern ebenfalls gemeinsame Ereignisse. Menschen, die zusammen sind. Ganz miteinander verschlungen, innig, zusammen. Auf einem Bild werden wir als Betrachtende quasi erwischt, denn wir sehen die Figuren, sie sehen aber uns nicht, sind ganz in dem Moment der Nähe verschlungen; genießen im extremen Hochformat das „Ineinanderverknotet“ sein und das Festhalten. Diagonal wird der Betrachter durch den gestreckten Armt des Mannes zur Frau oben geleitet und dann wie bei einer Treppe Stufe für Stufe durch die angewinkelten Arme wieder zum Mann nach unten gebracht und so beginnt der Kreislauf einer Betrachtung, die ähnlich verschlungen ist, wie das Bild selbst.
Für Gudrun Börger-Terdues sind berühmte Frauen das Thema ihrer aktuellen Schaffensphase. Neben Frida Kahlo und Niki de Saint-Phalle portraitierte sie Coco Chanel. In beeindruckender Größe lehnt sich Coco gelassen, selbstsicher zurück und blickt den Betrachter – vielleicht leicht selbstgefällig, erhaben – von oben herab an. Lässig, die Zigarette im Mundwinkel, den Arm in die Taille gestützt stahlt sie eine Zufriedenheit aus, die auf den Betrachter überspringt. Stolz mischt sich in diese Ausstrahlung und der Betrachter darf sie zurecht als Ikone betrachten.
Welche Frau verbirgt sich hinter Michaela Kopps Porträt? Der „Frauenkopf“ verweist uns erstmal auf: gar nichts. Kein Name, keine Assoziation. Gut! Also schauen wir uns das Porträt genauer an. Es ist mit rasanten impressionistischen Pinselstrichen auf die Leinwand gebracht. So eilig, dass es vielleicht besonders wichtig war, diesen Anblick so schnell wie möglich, festzuhalten. So schnell, dass an Stirn und Bluse die zuerst aufgetragene Farbe durchscheint. Diese Frau schaut uns mit blauen Augen, die in der Farbkomposition besonders betont werden, interessiert an, als würde sie uns zuhören. Ihr Lippen sind verschlossen, aber nicht verbissen. So als würde sie etwas beobachten. Eine wechselseitige Beobachtung also, denn wir als Betrachtende beobachten sie ja gleichermaßen.
Auch Renate Stiegler zeigt uns mit „Hard Working Harry“ ein Portrait. Auch er strahlt einen gewissen Stolz aus. Aber hier mischt sich noch etwas anderes dazu: Vielleicht Verbitterung? Vielleicht Ehrgeiz? Vielleicht Engstirnigkeit? Oder sogar eine Verträumtheit? Als Betrachter:in fühlt man sich gleichermaßen angegriffen und eingeladen. Eingeladen, das Gesicht zu studieren und die Geschichte hinter dem Mann zu entdecken. Eingeladen, diesem Blick standfest zu begegnen, nicht wegzuschauen.
Dass auch „Scarlett“ in ihrem zarten Alter von vielleicht 5 Jahren schon sehr intensiv an etwas arbeitet, was so allerdings im Kontrast zu „Harry“ ganz leicht und anmutig daherkommt – das zeigt uns Chris Tettke mit einer Fotografie eines Mädchens, das mit einer Geige posierend in einer lichten Farbigkeit und einer grazilen Anmut dargestellt wird. Erwartungsvoll blickt sie die Betrachtenden an und diese blicken gleichsam zurück, fast so als würden sie sich wünschen, dass die Musik aus der Fotografie erklingen möge.
Jörg Bertrams präsentiert uns aus seiner Serie von Porträts berühmter Persönlichkeiten heute „Campino“ – den Sänger der Toten Hosen. Wir sehen ihn mit zugekniffenen Augen, in einer angespannten Körperhaltung, das Mikrofon fest in den Händen, singend … schreiend. Er hat uns etwas mitzuteilen, verbreitet singend seine Botschaften in die Welt. Was ist das Thema? Wenn du etwas zu sagen hast, dann sprich! Ist es so wichtig, dass du eine Bühne dafür brauchst? Steig hinauf! Diese Bühne kann letztlich ja auch eine Leinwand sein – so sind all jene mit Campino mitgemeint, die heute hier ihre Werke zeigen: Nimm Pinsel oder Stift in die Hand – male, teile deine Weltsicht mit!
Und zuletzt bleibt mir noch zu sagen: Meine Sicht – ihre Sicht – die Sicht des Schaffenden:
Nutzen Sie jetzt diese Zeit jetzt für Gespräche mit den Ausstellenden – denn das, was ich zu den einzelnen Werken gesagt habe, ist nicht immer das, was die Ausstellenden selbst auch sagen
würden J
Alles kein Thema? Alles ein Thema! Viel Spaß und Danke fürs Zuhören und Ihre Geduld! Der hochwertige Katalog,
gedruckt vom Druckhaus Tecklenborg, Steinfurt kostet 5 €